Während der Ausbildung zur Rettungsassitentin musste unsere Mama ein Referat zum Thema "Frühgeborene" schreiben. Da dies für alle werdenten Mamis interessant ist, könnt ihr es alle hier lesen: (aber bitte NIX rauskopieren oder so!!!)
Inhaltsverzeichnis
1. Definition 2. Entstehung 3. Vorbeugung, 4. Überlebenschancen 5. Infektionsgefahren 6. Langzeitprognose 7. Verhaltensweisen für den Rettungsdienst 8. Schlusswort
9. Literaturnachweis 1. Definition Wird ein Kind zwischen der 22. und 37. Schwangerschaftswoche entbunden und zeigt nach erfolgreicher Geburt deutliche Lebenszeichen wie Herzschlag und Atmung, so spricht man von einer Frühgeburt. Diese Kinder haben ein Durchschnittsgewicht von 500 bis 2500 Gramm und sind je nach Geburtswoche zwischen 25 und 45 cm klein. Kommt ein Kind zum errechneten Termin zur Welt, wiegt aber unter 2500 Gramm, fällt es auch unter die Rubrik „Frühgeborene“. Die Häufigkeit einer Frühgeburt liegt in Deutschland bei ca. 5-8%.
2. Entstehung einer Frühgeburt Eine Frühgeburt kann verschiedenste Ursachen haben und sehr vielseitig sein. Meistens kommen mehrere Faktoren zusammen. Diese können mütterlicherseits allgemein oder lokal auftreten. Ebenso können kindliche und psychische Faktoren eine sehr grosse Rolle spielen. Allerdings sind bei der Hälfte der Frühgeburten keine eindeutigen Ursachen erkennbar! Mütterliche Risikofaktoren - Junge Mütter unter 18 Jahren
- Ältere Mütter über 30 Jahre
- Erstgebärende
- Körperliche Beanspruchung
- Vorhergehende Frühgeburt
- Schlechte Ernährung und Ernährungszustand
- Untergewichtige Mütter (unter 55 kg vor Schwangerschaft)
- Bekannte und bestehende Vorerkrankungen der Mutter
- Schwangerschaftsbedingte Hypertonie (Präeklamsie)
- Hoher und starker Nikotinkonsum
- Allgemeine Infektionskrankheiten
Lokale Risikofaktoren - Gebärmutteranomalien, z.B. Scheidewand in der Gebärmutterhöhle
- Gebärmuttermyome (gutartige Muskelknoten)
- Unregelmässige Blutungen während der Schwangerschaft
- Frühere Operationen am Gebärmutterhals
- Evtl. vorausgegangene Schwangerschaftsabbrüche
- Unzureichender Verschluss des Gebärmutterhalses
- Vorzeitige Wehentätigkeit
Kindliche Risikofaktoren - Mehrlingsschwangerschaft
- Erhöhter Fruchtwassergehalt (Polyhydrammnion)
· Veränderte Lage und Funktion des Mutterkuchens Psychische Risikofaktoren · Angst · Partnerschaftskonflikte · Psychische Erkrankungen · Belastungen am Arbeitsplatz · Drohende Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme
3. Vorbeugung Teilnamen an regelmässigen Vorsorgeuntersuchungen beim Gynäkologen helfen mit, eine vorzeitige Geburtsbestrebung hinauszuzögern. Mit einer wehenhemmenden Infusion (Tokolyse) kann versucht werden, die Geburt bis zu einem späteren Zeitpunkt aufzuschieben. Jeder Tag im Mutterleib gibt dem ungeborenen Kind eine höhere Überlebenschance. Lässt sich eine Frühgeburt dennoch nicht vermeiden, werden Medikamente zu schnelleren Lungenreife gegeben. In diesem Fall wird dringend dazu geraten eine Spezialklinik mit einer Frühchenintensivstation aufzusuchen und strikte Bettruhe einzuhalten. Einem Frühchen sollten riskante Transporte in eine Spezialklinik wenn möglich erspart bleiben. 4. Überlebenschancen des Kindes In den letzten Jahren haben sich durch immense Fortschritte der Medizin die Überlebenschancen von Frühgeborenen drastisch verbessert. Fortschritte der Geburtshilfe, der Schwangerenbetreuung und der Neugeborenenintensivpflege ermöglichen vieles was vor ein paar Jahren noch undenkbar war. Vor allem kleine Frühchen mit einem Geburtsgewicht von gerade mal 500 Gramm, haben grössere Überlebenschancen bekommen. Vereinzelt überleben Kinder, die mit Vollendung der 23. Schwangerschaftswoche das Licht der Welt erblickten. Ab 24 vollendeten Schwangerschaftswochen haben die Kinder reelle Überlebenschancen, die mit zunehmender Reife bzw. zunehmendem Gewicht rasch ansteigen. Tabelle der Überlebenschancen nach Schwangerschaftswochen (SSW) 70-75% | 23-25 SSW | 85-90% | 26-27 SSW | >95% | 28-29 SSW |
Tabelle der Überlebenschancen nach Geburtsgewicht 75-80% | 500g - 749g | 85-90% | 750g - 999g | >95% | 1000g -1500g |
Allerdings stellt sich hierbei auch die ethische Frage „Wie klein ist zu klein?“ Hierzu hat die Fachgesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin 1999 eine offizielle Empfehlung veröffentlicht:
„Ab 24 vollendeten SSW sollten immer lebenserhaltende Maßnahmen eingesetzt werden, falls keine lebensbedrohlichen Gesundheitsstörungen vorliegen. In der Zeitspanne von 22-23 vollendeten SSW sollte nach dem Einzelfall entschieden werden und nur bei deutlichen Lebenszeichen mit intensivmedizinischen Maßnahmen begonnen werden. Immerhin haben laut einer Umfrage an 21 deutschen Perinatalzentren zwischen 1997 und 1999 25% der Frühgeborenen von 23 vollendeten SSW überlebt - allerdings mit einem sehr hohen Risiko bleibender Schäden.“ 5. Infektionsgefahren Nicht Sauerstoffmangel, sondern Infektionen sind die Hauptursache für Hirnschäden bei Frühgeborenen! Frühgeborene haben ein unreifes Immunsystem und sind daher für Infektionskrankheiten aller Art besonders gefährdet. Wenn bei der Mutter bestimmte Krankheitserreger nachgewiesen werden, gibt man der Schwangeren als vorbeugende Massnahme schon während der Geburt Antibiotika, damit die Babys nicht mit den gefährlichen Bakterien in Berührung kommen, wenn sie den Geburtskanal passieren. Durch ihr schwaches, noch nicht ausgereiftes Immunsystem, durch ihre dünne Haut und durch Eintrittspforten über invasive Katheter sind sie besonders gefährdet. Ihre Körperabwehr ist nicht vergleichbar mit der eines Kindes das nach 9 Monaten geboren wurde. Es besteht bis 3 Tage nach der Geburt die erhöhte Gefahr von Gehirnblutungen, da ihre inneren Organe nicht auf ein Leben ausserhalb des müttlerlichen Körpers angepasst sind. Ihre Lungen sind noch sehr unreif und es kann daher zu Lungenfunktionstörungen kommen. Meist müssen die Kinder durch einen Tubus beatmet werden wobei dieser Tubus eine grosse Infektionsquelle darstellt. Daher ist es sehr wichtig Sekundärinfektionen zu vermeiden und Infektionssymptome rechtzeitig zu erkennen. Häufigste Erreger sind Streptokokken, Staphylokokken, Pseudomonaden. Ursachen für eine Infektion können sein: a) Frühgeborenensepsis · Keime aus den Geburtswegen · vorzeitiger Blasensprung b) postnatale Sepsis · Mutter · Pflegepersonal – Kind · Tubus · Katheter · Aspiration · Bakterielle Besiedlung · Läsionen 6. Langzeitprognose für Frühgeborene Hier stellt sich vorrangig für die Eltern und Ärzte die Frage ob das Kind überlebt und wie sich die Entwicklung fortsetzen wird. Für einzelne Frühgeborene lässt sich das Entwicklungsrisiko sehr schwer vorhersagen. Eine Prognose hängt von vielen Faktoren wie z.B. dem Geburtsgewicht oder dem Geburtszeitpunkt ab. Generell ist die Prognose umso besser, je reifer ein Kind ist. Je früher die Kleinen geboren werden umso unsicherer sind die Prognosen. Sehr kleine Frühgeborene können sich völlig normal entwickeln, ebenso können Kinder die in der 34 Schwangerschaftswoche oder später geboren wurden, in der Entwicklung eine Behinderung aufweisen. Meist leiden die betroffenen Kinder an Bewegungsstörungen bis hin zur spastischen Cerebralparese, Koordinationsstörungen, Krampfanfällen, Blindheit, Taubheit sowie Störungen der geistigen Entwicklung. Frühchen haben oft Jahre später noch Entwicklungsdefizite. Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von 1000-1500 Gramm oder innerhalb der 28-30. Schwangerschaftswoche zeigen in 10-25%, sehr kleine Frühgeborene unter 1000 Gramm Geburtsgewicht oder unterhalb der 28. Schwangerschaftswoche in 20-30% der Fälle behandlungsbedürftige Entwicklungsstörungen. Von 5 Frühchen die mit nur 22 Schwangerschaftswochen geboren wurden überlebten 2. Eines war von Geburt an behindert, das 2. wuchs ohne körperliche Schäden auf. Kinder die über 30 Schwangerschaftswochen haben und mit einem Geburtsgewicht von mind. 1500 Gramm geboren wurden, haben sehr gute Chancen sich körperlich und geistig völlig normal zu entwickeln. Vorausgesetzt, das keine weiteren Komplikationen während oder nach der Geburt eintreten. Jedes Frühgeborene hat seine eigene, nicht aus Statistiken vorhersehbare Geschichte. Vorhersagen sind im Einzelfall sehr schwierig, da die Komplikationen von Kind zu Kind unterschiedliche Auswirkungen haben können. Die Eltern können durch eine hohe Qualität des Familienklimas, anfängliche Risiken und Entwicklungsverzögerungen ausgleichen.
7. Verhaltensweisen für den Rettungsdienst Die Wahrscheinlichkeit bei einer Frühgeburt einzutreffen liegt bei gerade mal 0,1%. Dies ist zwar sehr wenig, dennoch kann es durchaus vorkommen. Daher sollte jeder Rettungsdienstmitarbeiter wichtige Grundlagen kennen: Frühgeborene sind unreif, aber nicht "unfertig ". Sie sind wegen ihrer Unreife besonders gefährdet. Frühgeborene können ihre Körpertemperatur noch nicht selbst bzw. nicht ausreichend regulieren. Sinkt die Körpertemperatur um 1 Grad Celsius ab, steigert sich der Sauerstoffbedarf um das Dreifache! Der Wärmeerhalt ist vorrangig vor allen andern Pflegemassnahmen! Frühgeborene sollten schnellst möglich in einen Inkubator, dieser sorgt mit einer Heizung für eine angemessene Umgebungstemperatur und für ausreichende Luftfeuchtigkeit. Die Lunge ist oft noch nicht ausgereift oder der Atemantrieb noch nicht ausreichend und sehr kleine Frühgeborene müssen deshalb künstlich beatmet werden. Im Normalfall hat ein Frühgeborenes eine Atemfrequenz von 30 bis 60 Atemzügen/Minute. Zusammengefasst sollten folgende, sehr wichtige Regeln eingehalten werden: · WÄRMEERHALT! · STERILES ARBEITEN! · Der Kinderarzt muss sofort informiert werden · Das Kind sollte in einen Inkubator, transportiert werden · Zugluft vermeiden · Kind möglichst wenig bewegen – sonst Gefahr einer Hirnschädigung · Orales Absaugen mit max. 0,2 bar · (Kein endotracheales Absaugen in den ersten 6 Stunden!) · Koordiniert und zügig arbeiten · sterile Handhabung von invasiven Zugängen und Kathetern · sterile Zubereitung von Infusions- und Injektionslösungen · Atemstörungen müssen behandelt werden · keine lauten Diskussionen · nichts auf dem Inkubator abstellen · schonender, zügiger Transport 8. Schlusswort
Darf die heutige, moderne Technik die ethische und juristische Leitlinie vorgeben? Viele Ärzte haben Angst den sichersten Weg zu beschreiten. Dies bedeutet im Zweifel Maximaltherapie für die hilflosen Kinder. Dadurch entsteht eine paradoxe Situation: Ärzte und Eltern sind gleichermaßen gegen die Fortsetzung der Behandlung und sehen im Tod die bessere Alternative. Doch die ärztliche Ethik und die Gesetze lassen keinen Spielraum: Die kleinen Patienten werden zum Leben verurteilt… Viele der sehr kleinen Frühgeborenen sind in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung beeinträchtigt. Ihr Intelligenzquotient liegt im Durchschnitt wesentlich unter dem von reifgeborenen Kindern. Sie habe starke schulische Probleme, die sich auch auf das sozialverhalten auswirken können. Das Lehrgeld für den medizinischen Erfolg bezahlen die Kinder, die mit schweren Schädigungen überleben. Dies ist das ernüchternde Resultat mehrerer internationalen Studien. Der Umstand, dass dem Neugeborenen ein Leben mit Behinderungen bevorsteht, rechtfertigt es nicht, lebenserhaltende Maßnahmen zu unterlassen oder abzubrechen. Zitat von Professor Olaf Breidbach, Medizingeschichtler in Jena: "Vom ethischen Standpunkt her können wir nicht für einen 20-jährigen Motorradfahrer andere Entscheidungsregeln ansetzen als für ein Frühgeborenes oder eine 80-jährige Alzheimer-Patientin." Literaturnachweiss: · Neonatologische und pädiatrische Intensivpflege: H. Brandis, D. Teising; Springer Verlag 1997 · Klinikleitfaden Pädiatrische Intensivpflege: B. Marx; Gustav Fischer Verlag, 1. Auflage November 1998 · Klinikleitfaden Kinderkrankenpflege: G. Kühl, D. Siepmann, H. Sobottka, J. Bauer, K. Fischer; Gustav Fischer Verlag, 2. Auflage August 1998 · Der Körper des Menschen: A. Faller; Thieme, 12. Auflage 1999 · Internet: www.familienhandbuch.de · Internet: www.aerztezeitung.de · Internet: www.kinderklinik-buch.de
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